Wir müssen klar und konkret sprechen
04. November 2013
von Friedrich Degenhardt (*)
Wie wichtig ist die 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK)? Das hängt davon ab, was wir daraus machen, hat Prof. Dr. Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, vor seiner Reise nach Busan gesagt. Er ist einer von 16 Delegierten der Evangelischen Kirche in Deutschland, und dies ist seine zweite ÖRK-Vollversammlung. Beim Treffen der europäischen Delegierten sprach Bischof Hein darüber, welche Initiativen für Gerechtigkeit und Frieden aus deutscher Sicht wichtig sind.
Bischof Hein, wie kann es gelingen, dies zu einer wichtigen ÖRK-Vollversammlung zu machen?
Wir müssen klar und eindeutig sprechen und möglichst konkret werden. Wir dürfen nicht zu viele verschiedene Anliegen unter eine gemeinsame Überschrift packen. Das Thema Klimagerechtigkeit ist das beste Beispiel: Es gibt bei den Delegierten ein großes Interesse, Klimagerechtigkeit als eines der wesentlichen Themen für das Überleben in unserer Welt zu benennen, statt eine Aussage dazu nur irgendwo in eine allgemeine Erklärung zu verpacken. Nicht nur die deutsche Delegation hält das für eine ganz wichtige Frage. Das ist bei der ersten Diskussion des Themas im Plenum der Vollversammlung sehr deutlich geworden. Der ÖRK wird gehört, wenn er nicht viele Erklärungen verfasst, sondern einige sehr präzise.
Reicht eine ÖRK-Erklärung, damit die Debatte um Klimagerechtigkeit in Deutschland neue Impulse bekommt?
Es geht nicht nur um eine weitere Erklärung. Nötig ist ein ÖRK-Programm als Anschub, um das Thema in den kommenden Jahren auf die Agenda des ÖRK bringen. Nicht ein neues Papier allein, sondern ein konkreter Aktionsplan ist nötig, damit das Thema lebendig bleibt. Und wir ÖRK-Mitgliedskirchen müssen uns selbst verpflichten, eigene Schritte konkret planen. Beispielsweise durch eine Selbstverpflichtung der Kirchen, wie es in der Klima-Allianz geschehen ist, der in Deutschland weit mehr als 100 Organisationen angehören. Es muss vor allem in den Industrienationen des Nordens gehandelt werden. Aber Länder wie zum Beispiel Korea betrifft es genauso. Außerdem müssen die Kirchen das Thema auf die politische Bühne bringen. Die Politik ist zurzeit leider sehr zurückhaltend.
Was ist für Sie ein zweites wichtiges Thema auf dieser Vollversammlung?
Ich bin positiv überrascht, wie sehr das Thema Christenverfolgung, das auf der Tagesordnung der Welt steht, auch hier in Busan präsent ist. Das ist gut so! Einer Vollversammlung ist eine gute Gelegenheit, mit betroffenen Menschen zu sprechen. Ich treffe mich beispielsweise mit Vertretern aus dem Vorderen Orient. Meine Landeskirche hat seit über 20 Jahren eine Beziehung mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchat von Antiochia mit Sitz in Damaskus. Und ähnlich wie in Syrien sieht es auch in Pakistan, Indonesien oder Ägypten aus. Die Christen werden zumindest unterdrückt, wenn nicht sogar verfolgt.
Die Friedenstheologie haben Sie beim Treffen der europäischen Delegierten besonders hervorgehoben. Was kann da getan werden?
Ich glaube, dass wir insgesamt die friedensschaffenden Potentiale zwischen den Religionen verstärken müssen. Aber auch innerhalb der christlichen Botschaft müssen wir diesen Aspekt stärker betonen. Dazu gehören Versöhnung, Gerechtigkeit und die Rücksicht auf andere Meinungen und Haltungen. Entscheidend ist, dass der Frieden Gottes uns bereits gegeben ist. Meinen Frieden gebe ich euch, sagt Jesus. Diese Haltung muss Konsequenzen habe.
Wie kann die Pilgerschaft für Gerechtigkeit und Frieden konkret aussehen, die der ÖRK für die kommenden Jahre anregt?
Ich habe vorgeschlagen, dass jede Mitgliedskirchen selbst überlegt: Was können wir dazu beitragen? Wir können zum Beispiel Peacemaker (Friedensstifter) für gesellschaftliche Brennpunkte ausbilden. In unserer Landeskirche gibt es etwa das Schalom-Diakonat als Fortbildung für Pfarrerinnen und Pfarrer. Und Jugendliche, die ein freiwilliges soziales Jahr machen, sind nicht zu unterschätzen. Der ÖRK könnte dabei vermitteln: Wo gibt es einen Bedarf? Ich bin sehr beeindruck von dem Input junger Vertreter, vor allem Frauen, hier auf der Vollversammlung. Da gibt es ein großes Potential. Freiwilliges Friedens-Engagement sollte gefördert werden, und ich finde, dafür braucht es ein ÖRK-Programm.
Global Ecumenical Theological Institute (GETI), eine Konferenz mit 160 jungen Theologinnen und Theologen aus aller Welt, findet parallel zur ÖRK-Vollversammlung statt. Was halten Sie von diesem Projekt?
Die GETI-Konferenz und die ÖRK-Vollversammlung laufen dieses Mal noch zu sehr neben einander her. Die Gliedkirchen der EKD sind der Meinung, dass GETI ein integraler Teil des ÖRK werden muss. In solch einem Programm wird der Nachwuchs für die ökumenische Bewegung ausgebildet. Zur Etablierung in Deutschland muss die ökumenische Theologie stärker im Curriculum des Studiums verankert werden und entsprechend auch in die theologischen Examina Eingang finden.
Metropolit Hilarion vom russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchat hat in einer Sitzung des Plenums viel Widerspruch geerntet, als er die Gleichstellung homosexueller Paare kritisierte…
Der ÖRK muss den Mut haben, das Thema Homosexualität offen anzugehen. Metropolit Hilarion hat einen Aufschlag gemacht. Jetzt muss eine ehrliche Diskussion über die biblischen Grundlagen der verschiedenen Positionen losgehen. Es ist problematisch, wenn man die Sichtweise derjenigen für unbiblisch erklärt, die Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare befürworten. Jetzt, da Hilarion es offen angesprochen hat, muss das Thema zugelassen werden. Wir müssen uns gemeinsam gründlich damit auseinandersetzen.
(*) Friedrich Degenhardt ist Journalist und Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Er arbeitet als Ökumene-Beauftragter in Hamburg vor allem mit Migrations-Gemeinden zusammen.
Vortrag von Metropolit Hilarion bei der ÖRK-Vollversammlung
Webseite zur Klima-Allianz Deutschland
Hochauflösende Photos sind erhältlich über photos.oikoumene.org